Besonderheiten in der Kommunikation

Gespräche zwischen Menschen, die Unterstützte Kommunikation (UK) nutzen und Menschen, die mit dem Mund sprechen

Wir nutzen Sprache intuitiv, um Bedürfnisse, Wünsche und Meinungen auszudrücken. Menschen mit physischen Beeinträchtigungen wie Aphasie und Dysarthrie haben jedoch oft keine Lautsprache. Die Kommunikation mit Personen, die Unterstützte Kommunikation (UK) nutzen ist daher anspruchsvoller, da spezielle Bedingungen herrschen, die es in der herkömmlichen Kommunikation nicht gibt. Diese besonderen Bedingungen können oft die Ursache für Missverständnisse und scheiternde Interaktionen sein. In diesem Kapitel werden die häufigsten Aspekte dieser Problematik beleuchtet, um die Kommunikation zwischen Personen mit UK und ihren verbal kommunizierenden Partnern zu verbessern.

Atypisches Rollenverhalten in der Kommunikation mit unterstützt kommunizierenden Menschen

Das atypische Rollenverhalten beschreibt Abweichungen vom erwarteten oder üblichen Rollenverhalten in einem Gespräch. Diese Abweichungen sind besonders im Bereich des sogenannten Turn-Taking, also dem Wechsel zwischen Sprech- und Zuhörerrollen, deutlich sichtbar.

Turn-Taking

In der herkömmlichen Kommunikation wechseln Sprecher und Zuhörer kontinuierlich ihre Rollen. Ein Sprecher äußert seine Gedanken, und der Zuhörer antwortet darauf. Dieses flüssige Hin und Her ist bei unterstützt kommunizierenden Menschen oft nicht möglich. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Verzögerungen bei der Antwort
    • Unterstützt kommunizierende Personen benötigen oft mehr Zeit, um eine Antwort zu formulieren. Dies kann daran liegen, dass sie erst ein geeignetes Symbol auf ihrer Kommunikationshilfe finden oder eine verständliche Aussage konstruieren müssen.
    • Beispiel: Eine Person mit einer Sprachcomputer kommuniziert und benötigt mehrere Sekunden, um das Wort "Schule" zu finden und auszusprechen. Der Gesprächspartner muss in dieser Zeit geduldig warten.
  • Veränderte Gesprächsdynamik
    • Der klassische ständige Wechsel von der Rolle des Sprechers zu der des Zuhörers kann meist nicht stattfinden. Häufig muss der verbal kommunizierende Partner längere Redeabschnitte übernehmen und dann gezielte Fragen stellen, um die Kommunikation zu fördern.
    • Beispiel: Bei einem Gespräch über das Wochenende fragt der verbal kommunizierende Partner: „Was hast du am Wochenende gemacht? Warst du im Park?“ Anstatt auf eine sofortige Antwort zu warten, muss der Partner vielleicht mehrere Ja/Nein-Fragen stellen, um die Aktivität zu erraten.
  • Ko-Konstruktionen
    • Um die Mitteilungen des unterstützt kommunizierenden Partners zu verstehen, müssen oft Ko-Konstruktionen vorgenommen werden. Dies bedeutet, dass der Gesprächspartner aktiv mitdenkt und versucht, angedeutete Wörter zu ergänzen oder zu vervollständigen.
    • Beispiel: Der unterstützt kommunizierende Partner beginnt zu buchstabieren: „B-E-R-G“. Der Gesprächspartner ergänzt: „Sprichst du vom Bergsteigen?“ oder „Meinst du den Berg in deiner Nähe?“

 

Beispiele für atypisches Rollenverhalten

  • Unterstützung bei der Wortfindung
    • Wenn die unterstützt kommunizierende Person Schwierigkeiten hat, ein Wort zu finden oder auszusprechen, übernimmt der Gesprächspartner häufig die Rolle des aktiven Helfers, der mögliche Wörter vorschlägt.
    • Beispiel: Die unterstützt kommunizierende Person beginnt mit „Sch...“. Der Partner fragt: „Schule? Schokolade? Schaukel?“, bis das richtige Wort gefunden wird.
  • Verlängerte Gesprächspausen
    • Da die Antworten mehr Zeit benötigen, entstehen oft längere Pausen im Gespräch. Der verbal kommunizierende Partner muss lernen, diese Pausen zu tolerieren und nicht als Desinteresse oder Kommunikationsabbruch zu interpretieren.
    • Beispiel: Nach einer Frage wartet der Gesprächspartner geduldig, auch wenn die Antwort erst nach einigen Sekunden kommt.
  • Aktive Rückversicherung
    • Der Gesprächspartner muss oft bestätigen, ob er die Mitteilung richtig verstanden hat, bevor er fortfährt.
    • Beispiel: Nach einer Antwort mit einem Symbol fragt der Gesprächspartner: „Meinst du damit, dass du Durst hast?“ und wartet auf eine bestätigende oder korrigierende Reaktion.
  • Veränderte Reaktionszeit
    • Die Reaktionszeit kann variieren, und der verbal kommunizierende Partner muss sich darauf einstellen und flexibel reagieren.
    • Beispiel: Während einer Diskussion über das Mittagessen am Tag zuvor kann der unterstützt kommunizierende Partner erst nach einer Weile antworten, was das Gespräch in die Länge zieht.

Durch das Verstehen und Anpassen an diese atypischen Rollenverhalten kann die Kommunikation mit unterstützt kommunizierenden Menschen verbessert und effektiver gestaltet werden. Geduld, aktives Zuhören und gezielte Fragen sind dabei entscheidende Elemente.

Eingeschränktes Vokabular

Menschen, die UK nutzen, haben oft ein begrenztes Vokabular, z.B. durch Symboltafeln. Ein Symbol kann mehrere Bedeutungen haben, was die Kommunikation erschwert. Es ist entscheidend, die genaue Bedeutung durch Rückversicherung zu klären. Begrenzter Wortschatz kann dazu führen, dass Kommunikationsabsichten aufgegeben werden, was Frustration und Resignation zur Folge haben kann.

Reduzierte Kommunikationsgeschwindigkeit

UK erfolgt deutlich langsamer als gewöhnliche verbale Kommunikation. Während Sprechende 120 bis 180 Wörter pro Minute nutzen, schaffen unterstützt Kommunizierende nur 2 bis 26 Wörter pro Minute. Gründe dafür sind u.a. körperliche Behinderungen und Verständnisschwierigkeiten bei Ko-Konstruktionen. Längere Pausen zwischen Sprecherwechseln werden oft als unangenehm empfunden, was dazu führen kann, dass der sprechende Partner die Lücke füllt, anstatt abzuwarten.

Nonverbale Signale und Rückmeldeverhalten

Nonverbale Signale wie Blickkontakt, Nicken oder Lächeln sind in der UK oft verändert oder fehlen ganz. Das Fehlen solcher Signale kann Unsicherheit auslösen. Auch Signale für Sprecherwechsel, wie ein fragender oder abwartender Blick, können fehlen. Die mangelnde Kommunikationserfahrung und Kenntnis über Kommunikationsregeln kann zu sozial unangemessenem Verhalten führen.

Schwierigkeiten bei der Interaktionsführung

Unzureichende Fähigkeit, ein Gespräch zu initiieren oder aufrechtzuerhalten, erschwert die Interaktion. Verständniskrisen erfordern die Fähigkeit, diese zu lösen. Fehlendes Einfühlungsvermögen und Erfahrungshintergrund können die Inklusion beeinträchtigen. Unbekanntes kann Ängste auslösen, die zu Ignoranz oder Ablehnung führen. Auch die soziale Akzeptanz der Nutzung von Kommunikationshilfen spielt eine Rolle.

Fazit

Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil der Inklusion, Teilhabe und Selbstbestimmung. Sie ist überlebensnotwendig und trägt zur Lebensqualität bei. Eine systemische Sichtweise und Partnertrainings können den Erfolg in der Kommunikation mit Menschen, die Unterstützte Kommunikation nutzen, fördern.

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